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Fußball: Belgien will Heimspiel gegen Israel in Ungarn austragen

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Normalerweise der Austragungsort belgischer Fußball-Heimspiele: Das König-Baudouin-Stadion in Brüssel

Belgiens Städte sehen weder im Antisemitismus noch im Terrorismus drohende Gefahren, sondern in der Anwesenheit israelischer Fußballer in ihren Stadien.

Am 6. September soll das Fußballländerspiel zur WM-Qualifikation zwischen Belgien und Israel stattfinden. Ein Heimspiel für Belgien – eigentlich. Doch so, wie es derzeit aussieht, ist keine der für eine Austragung infrage kommenden Städte dafür bereit.

Deshalb kam der belgische Fußballverband Berichten zufolge auf eine absurde Idee: Man könne das Heimspiel ja auch im Ausland austragen. Nicht zu nahe, sondern mit einigem Sicherheitsabstand, also etwa inUngarn. Das berichtet Het Laatste Nieuws, eine der reichweitenstärksten belgischen Tageszeitungen. Während Ungarn als möglicher Austragungsort noch eine Spekulation ist, gilt es laut dem Artikel als sicher, dass die Begegnung nicht in Belgien stattfinden wird.

Da der Verband das Spiel nicht einfach absagen kann, ohne folgenschwere Sanktionen durch den europäischen Fußballverband UEFA zu auf sich zu nehmen, bleibt demnach nur eine Austragung im Ausland. »Das lag bereits mehrere Wochen in der Luft«, so Het Laatste Nieuws, »nachdem eine Handvoll Städte – darunter Lüttich, Brüssel, Löwen, Antwerpen und Brügge – bereits angekündigt hatten, keine Lust darauf zu haben«.

Die genannten Städte werden von unterschiedlichen Parteien regiert: So gehören die Bürgermeister von Brüssel und Lüttich, Philippe Close und Willy Demeyer, den Sozialisten an; Löwens Bürgermeister Mohamed Ridouani ist Mitglied der Sozial-Liberalen Partei; Brügges Bürgermeister Dirk De Fauw ist Christdemokrat, während Antwerpen von dem rechtskonservativen Separatisten Bart De Wever regiert wird.

Als Erster sagte ausgerechnet Brüssel ab, also der übliche Austragungsort für Länderspiele mit seinem 50.000 Zuschauer fassenden König-Baudouin-Stadion. Doch Brüssel war der Ansicht, das Spiel würde »zweifellos große Demonstrationen und Gegendemonstrationen provozieren und damit die Sicherheit der Zuschauer, der Spieler, der Brüsseler Bevölkerung und unserer Polizeikräfte gefährden«. Es sei »unmöglich«, dieses »hochriskante Spiel« auszutragen. Die Entscheidung sei nach Rücksprache mit der örtlichen Polizei, der Föderationsregierung und dem Fußballverband RBFA getroffen worden.

Der RBFA erklärte, er »verstehe und teile die Besorgnis über die Lage in Israel und Palästina und die Folgen für die Sicherheit«, sei aber mit der Entscheidung, das Spiel gegen Israel überhaupt nicht in Brüssel auszutragen, nicht einverstanden: »Wir wussten, dass das Heimspiel gegen Israel höchstwahrscheinlich ohne Zuschauer stattfinden würde, und wir hätten dies akzeptiert. Schließlich steht die Sicherheit immer an erster Stelle. Wir bedauern jedoch die Entscheidung der Stadt Brüssel, die immerhin über viel Erfahrung in der Organisation von Großveranstaltungen verfügt, das Spiel nicht in unserem Heimstadion auszutragen.«

Spiel in »Orbans Hinterhof«

Der Brüsseler Stadtrat für Sport, Benoit Hellings, sagte, diese spezielle Fußballpartie bringe eine »unverhältnismäßige Gefahr« mit sich, »selbst hinter verschlossenen Türen«. Het Laatste Nieuws verweist auf die kommenden Kommunalwahlen am 13. Oktober, wobei so kurz vor der Wahl »politische Sensibilität ein mindestens ebenso wichtiger Grund wie die Sicherheit« sei. In Wahrheit geht es also um die Stimmen von Israelhassern, auf welche die Parteien nicht verzichten wollen.

Wie die Zeitung weiters berichtete, habe der Verband schon letzte Woche Gespräche mit der UEFA bezüglich »alternative[r] Spielorte« geführt. Die Pancho Arena in Ungarn sei eine Option. Dazu Niels Vleminckx, Autor des Artikels: »Dieses Stadion liegt buchstäblich im Hinterhof des pro-israelischen Premierministers Victor Orban.«

Die Wortwahl evoziert Assoziationen zur Ghettoisierung: Israel wird in einen »Hinterhof« im Osten verbannt. Die Erwähnung Orbans soll den Eindruck erwecken, als könne eine Partie unter Beteiligung Israels nur in einem Land stattfinden, das – nicht ganz zu Unrecht – im Ruf steht, autoritär regiert zu sein, und als sei Ungarns Regierung eine der wenigen, die nicht auf Abstand gingen, wenn israelische Sportler ins Land kommen. Dabei nimmt auch Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz – man mag über seine (Nahost-)Politik denken, was man will – für sich in Anspruch, ein Freund Israels zu sein.

Es drängt sich die Frage auf, ob überhaupt Städte in Belgiens Nachbarländern angefragt wurden, also Deutschland, Frankreich, die Niederlande oder Luxemburg. Umgekehrt: Ginge das Spiel in Köln oder Aachen ohne Zwischenfälle über die Bühne, läge der Schatten auf den belgischen Gastgebern, die sich dazu angeblich nicht in der Lage sahen. Verlegt man es aber in einen Staat, der nach landläufiger Meinung im »Osten« liegt, dann werden die Israelis stigmatisiert als Menschen, die im Westen einfach nicht empfangen werden können, weil sie ein angeblich so großes Risiko für die hiesige Gesellschaft darstellen. Die Juden werden, bildlich gesprochen, in die Puszta geschickt.

Die Juden, das »Sicherheitsrisiko«

»Sicherheitsbedenken« bzw. die angeblich mangelnde Fähigkeit, die »Sicherheit« zu garantieren, sind seit Jahren Standardargumente, um geplante Auftritte von Israelis oder auch nichtisraelischen Juden abzusagen. Die Tennisspiele des Davis-Cups zwischen Schweden und Israel fanden 2009 in Malmö ohne Zuschauer statt – man weiß ja, zu welchen Gewaltausbrüchen die Zuschauer von Tennisspielen neigen: »Man könne weder die Sicherheit der israelischen Sportler noch die der Allgemeinheit garantieren«, hieß es damals.

Reinhard Wolff kommentierte seinerzeit in der taz: »Dass dieses angebliche Drohszenario nicht die ganze Wahrheit war, daraus machte man keinen Hehl. Für Carlos Gonzales-Ramos, Vertreter der Linkspartei im federführenden Sport- und Freizeitausschuss der Stadt, war der Beschluss, vor leeren Tribünen spielen zu lassen, die ›zweitbeste‹ Entscheidung: ›Weil diebeste, das Match ganz zu stoppen, nicht durchgesetzt werden konnte.‹«

In Spanien wurde ein Wasserballspiel der Frauennationalmannschaften Spaniens und Israels 2018 zweimal verlegt: Der geplante Austragungsort Barcelona hatte eine Austragung innerhalb seiner Stadtgrenzen untersagt. Am Ende wurde die Partie »quasi heimlich« ausgetragen, kommentierte Barcelonas Tageszeitung El Periodico.

Aber es trifft nicht nur Israelis. Auch Konzerte des jüdisch-amerikanischen Sängers Matisyahu wurden in einigen Städten der USA abgesagt, weil die »Sicherheit« angeblich nicht zu gewährleisten war.

Das Argument erzeugt einen Vibe: Sind Juden unter uns, sind wir nicht sicher. Sie sind eine Gefahr für die Allgemeinheit. Genau dieses Gefühl brachte jener Journalist zum Ausdruck, der bei der Pressekonferenz des European Song Contest (ESC) die israelische Teilnehmerin Eden Golan fragte: »Haben Sie jemals daran gedacht, dass Sie durch Ihre Anwesenheit ein Risiko und eine Gefahr für die anderen Teilnehmer und die Öffentlichkeit darstellen?«

Nicht der Antisemitismus und der Terrorismus also wären demnach eine Gefahr, sondern die Anwesenheit von Juden. Belgiens Städte, die sich weigern, israelische Fußballer auf ihrem Rasen spielen zu lassen, fördern damit nicht nur den Antisemitismus, sondern ermuntern damit zu politischer Gewalt; denn sie senden ja die Botschaft, dass die Kommunalregierungen bereit sind, in vorauseilendem Gehorsam die Agenda der Gewalttäter selbst umzusetzen, bevor es überhaupt Drohungen gibt. Könnten die antisemitischen Gewalttäter noch erfolgreicher sein?

Kein Preis zu hoch

Der Journalist von Het Laatste Nieuws weist auf die Nachteile hin, die der belgische Fußballverband durch die Verlegung des Spiels ins Ausland erleide: Ihm entgingen Einnahmen in Höhe von »fast einer Million Euro«; zudem müsse er »für die Reisekosten aufkommen«. Und »ohne die Unterstützung der eigenen Fans« werde es schwieriger zu gewinnen, um in der »Todesgruppe« mit Italien und Frankreich weiterzukommen. Aber das alles ist wohl kein zu hoher Preis, wenn es darum geht, israelischen Fußballspielern und Fans zu zeigen, dass sie nicht willkommen sind.


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